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Lernen im Schwarzlicht?


In einer Fachzeitschrift der Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation e.V. 04/2017 findet sich ein Fachartikel zum Einsatz von Schwarzlicht zum Aufbau kommunikativen Verhaltens bei Menschen mit Autismus.


Wer mit der Zielgruppe arbeitet und Lösungen sucht, zur Förderung der Konzentration und Erhöhung der intrinsischen Motivation, findet hier Anregungen.


SLL - Schwarz-Licht-Lernen, heißt die von Alicia Sailer entwickelte Methode.


Ein Auszug aus dem Text:


Die TEACCH Methode enthält nach Resultaten aus zahlreichen Studien, folgende Prinzipien:

Verständnis der typischen Schwierigkeiten von Menschen mit Autismus, Individuelle Diagnostik und Förderung, Kooperation mit Eltern und Familien, Optimierung der Fähigkeit in der Lebenswelt zurecht zu kommen, Ganzheitlichkeit (Förderung aller Aspekte der Persönlichkeit), Kompetenzorientierung und Respekt vor Andersartigkeit, Strukturierung, kognitive Ansätze und Verhaltenstherapie. Auf alle Prinzipien hier in die Tiefe einzugehen, überschreitet den Umfang des Artikels. Ich beschränke mich auf den Teil, der Strukturierung zur Erlangung von Handlungskompetenzen, die notwendig sind zum Aufbau kommunikativer Fähigkeiten.

Um eine Handlung eigenständig und zielgerichtet ausführen zu können, bedarf es eines Zieles, das anerkannt wird und eines gewissen Grades an Motivation, dieses Ziel erreichen zu wollen. Die Motivation kann sich entwickeln durch das Kennenlernen interessanter Reize. Wer sich nicht in seiner Aufmerksamkeit fokussieren kann, hat es schwer Handlungskompetenz zu entwickeln.


Willmanns hat, in Anlehnung an Häußler, in Bezug auf Menschen mit ASS Handlungskomponenten für die Strukturierung der Lernumgebung abgeleitet. Es gilt Ablenkungen zu vermeiden. Die Umgebung wird so darauf ausgerichtet, dass die Menschen mit ASS die angebotenen Reize möglichst eindeutig aufnehmen können. Die Handlungsmotivation benötigt eine isolierte Reizwahrnehmung. Das bedeutet die Lernumgebung wird möglichst reizarm gestaltet (keine Dekoration, Wandschmuck, Nebengeräusche, …).


Zur Handlungsplanung braucht es eindeutige Signale. Das lässt auf geringen Materialeinsatz schließen, unter Nutzung von hohen Kontrasten (z.B. schwarz-weiß oder schwarz-rot). Zur Handlungskontrolle werden häufige Wiederholungen benötigt und die Minimierung möglicher Ablenkungen. Das spricht meiner Einschätzung nach für Lerneinheiten, die mehrmals täglich stattfinden und von kurzer Dauer (z.B. 10 – 15 Minuten) gestaltet sind.


Die Handlungsflexibilität entwickelt sich ebenfalls aus häufigen Wiederholungen und hohen Ähnlichkeitsfaktoren. Das Material, das in der Lernsituation eingesetzt wird, kommt auch im Alltag vor oder weist große Ähnlichkeiten auf. Welche Handlung mit dem Material zu vollziehen ist – ist in der Lernsituation transparent zu machen. Zeit ist beispielsweise für viele Menschen mit ASS schwer einzuschätzen.


Ein Timer, ähnlich einer Küchenuhr, kann helfen Lernsituationen zeitlich zu strukturieren. Die Lernsituation beginnt am reizarmen Platz, der Timer wird für 15 Minuten aufgezogen und gut sichtbar angebracht. Die Zeitdauer wird durch eine rote Markierung angezeigt, die immer weniger wird. Ist die Zeit abgelaufen, ertönt ein akustisches Signal, das Klingeln. Klientinnen können so mit dem Einsatz des Timers in Kontakt kommen. In einem weiteren Schritt kann der Timer in das Alltagsleben integriert werden. Vorerst mit einer sehr ähnlichen Situation, beispielsweise einer Arbeitsanforderung im hauswirtschaftlichen Bereich. Im nächsten Schritt wird der Timer in einer ungewohnten Situation eingesetzt. Das könnte eine Wartesituation sein.

Durch wiederholtes Anbieten des Timers wird Handlungsflexibilität erreicht. Aus meiner Beobachtung von Menschen mit ASS in Diagnostiksituationen, kann ich bestätigen, dass die Lernbereitschaft und die Aufmerksamkeitsspanne maximiert werden können durch möglichst eindeutige und isolierte Reizdarbietung. So kam es zu der Idee Schwarzlicht einzusetzen.

Schwarzlicht ist die umgangssprachliche Bezeichnung für ultraviolette Strahlung (UV Licht). Durch den Einfluss der ultravioletten Strahlung leuchten fluoreszierende Flächen im Dunkeln hell. Es wird in der Kunst-, Theater- und Tanzpädagogik eingesetzt. Kinder und Jugendliche verlieren im Einsatz von Schwarzlicht häufig ihre Hemmungen und so wird es besonders gerne zur Stärkung von Gruppen oder zur Stärkung des Selbstbewusstseins angewendet.


Während der Vorbereitungen für ein öffentliches Fest der Organisation, in der Alicia Sailer tätig war, gestalteten Kolleg*innen und sie im Juli 2014 eine Ausstellung im Schwarzlicht. Menschen mit ASS waren ebenso daran beteiligt wie Klient*innen mit anderen Behinderungsformen. Auffällig war, dass Menschen mit ASS eine höhere Konzentrationsspanne zeigten und weniger Bewegungsdrang verspürten, während sie im Schwarzlicht malten, im Gegensatz zu anderen Situationen.


Nach diesen positiven Lernerfahrungen übertrug Alicia Sailer das Prinzip auf Materialien zur Diagnostik kommunikativer Fähigkeiten. Vorerst testete sie mit spezieller fluoreszierender Farbe versehenes Material mit Hilfe eines Kartons, den sie mit einer schwarzen Mülltüte umhüllt hatte. Eine Schreibtischlampe mit einer UV Glühbirne beleuchtete diese.

Viele Menschen, die zuvor wenig Motivation für Kommunikation gezeigt hatten, ließen sich durch den Einsatz von Schwarzlicht faszinieren. Mit weißen Handschuhen nahmen einige Kontakt auf und spielten mit den Händen des Gegenübers, während sie sich zuvor nicht für einen Kontakt interessiert hatten.


Weitere positive Erfahrungen führten dazu, dass Alicia Sailer einen Arbeitskreis ins Leben rief und Spenden sammelte. Gemeinsam gestalteten sie mit Hilfe der Spenden zwei neue Räume in der Eingliederungshilfe, in der Sailer tätig war.


In einem Raum befindet sich ein informeller Diagnostikraum. Diesen können Menschen mit Intelligenzminderung mit ihren Bezugspersonen frei aufsuchen um verschiedene klar strukturierte Beschäftigungsangebote zu testen. Im Nebenraum befindet sich ein großer Werkraum. Hier kann das Material selbst erstellt werden. Das können beispielsweise Steckspiele aus ungewöhnlichen Materialien sein. Zum Beispiel ein Schuh wurde mit kleinen bunten Holzstäbchen zum Steckspiel gekürt.

Ziel ist es, die besonderen Interessen der Menschen mit Intelligenzminderung aufzugreifen und sie motivierend in ihrem Lernen, gemäß ihrem Entwicklungsstand, zu begleiten.


„Zum Lernen verführen“ ist ein Motto des Arbeitskreises.


Im Diagnostikraum ist ein Teil des Raumes schwarz abgehängt, so dass allen Menschen ein Schwarzlichtarbeitsplatz zur Verfügung steht, die die Methode für sich ausprobieren möchten.


"Der Einsatz von Schwarzlicht ist für mich das konsequent weitergedachte Resultat aus dem TEACCH Konzept", sagt Alicia Sailer. Wer hohe Schwierigkeiten hat, seine Aufmerksamkeit zu fokussieren, benötigt noch stärkere visuelle Reize. Durch das Wegnehmen des Hintergrundes und das Hervorheben des Materials kann der Sinneskanal sich nur auf den dargebotenen Reiz konzentrieren. Vorteile sind der besonders hohe Motivationsfaktor, die Unterstützung der Vorliebe für Lichtreflexe, als auch der visuelle Reiz. Es kommt zu einer hohen Aufmerksamkeit, einer längeren Aufmerksamkeitsspanne, einer höheren Behaltensquote und bietet ein Angebot für Menschen mit großen Schwierigkeiten in der Konzentration.

Der Nachteil ist, dass sich das Schwarzlicht nur in Sonderlernsituationen einsetzen lässt, wodurch der Übertrag auf den Alltag erschwert sein kann.


Personen mit Ängsten (z.B. Angst in Dunkelheit) können nicht vom Angebot profitieren.


Zu beachten gilt es, dass durch die ungewohnte hohe Konzentration eine Erschöpfung der Gehirnleistung resultieren kann. Das spricht für kurze Lerneinheiten von fünf bis maximal fünfzehn Minuten. Wichtig ist es die Menschen mit ASS darauf vorzubereiten, dass das hochinteressante Angebot ein Ende haben wird (z.B. durch Einsatz eines Timers). Zu Beginn der Förderung unter Schwarzlicht sollte ein bekanntes und für die Klient*in interessantes Material eingesetzt werden.


Tägliche Wiederholungen sind sehr wirksam. Kommt das eingesetzte Material im Lebensalltag vor, kann mit höherer Wahrscheinlichkeit ein Lernerfolg, im Sinne einer spontanen Nutzung des Kommunikationshilfsmittels, erfolgen.


Wer zu der Methode "Lernen unter Schwarzlicht" forschen und diese weiter entwickeln möchte, darf sehr gerne Kontakt aufnehmen!

Darüber hinaus bietet eEmpower zahlreiche weitere kreative Bildungsangebote zur Unterstützten Kommunikation an.

Es gibt einen Basiskurs und Aufbaukurs, Sie können Mentor*in für UK werden oder Kommunikationsassistent*in.

Einfach unverbindlich informieren und nachfragen!


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